Mühle

Es begann mit einer Hochzeit

Vor mehr als 200 Jahren nahm an Oldislebens Mühle die bewegte Geschichte eines Familienbetriebes ihren Anfang (nach TA vom 09.11.2002 - Grit Pommer)

Der 7. November - für die Mühle in Ol­disleben hat das Da­tum besondere Bedeutung. Gleich mehr­mals markiert es ganz entscheidende Punkte in der Geschichte des Unternehmens.
Der wichtigste ist eine Hoch­zeit. Denn genau damit wird am 7. November 1802, also fast auf den Tag genau vor 200 Jah­ren, eine Dynastie begründet: Für mehr als 150 Jahre soll der Oldislebener Mühlenbe­trieb fortan untrennbar mit dem Na­men Weineck verbunden sein.

Immer wieder gaben sich zu­vor die Besitzer und Pächter die Klinke in die Hand. 1802 gehört die Mühle schließlich einem ehemaligen Schiffsarzt - Dr. Johann Wilhelm Strötzel. Der gebürtige Loderslebener, so berichten es die Chroniken, war 1765 von seinem Heimatort nach Amsterdam gewandert, um sich dort anheuern zu lassen. In Oldisleben sah er die Mühle stehen, idyllisch eingebet­tet in die schöne Gegend — ein Anblick, der ihn nicht mehr loslassen sollte. Als der Schiffs­arzt in den Ruhestand geht, wählt er Oldisleben zum Sitz für seinen Lebensabend und kauft die Mühle. Von der Müllerei freilich hat der Medikus keine Ahnung. Wohl aber einen Müller zum Schwa­ger - Johann Friedrich Deicke. Also holt Strötzel seine Schwester und ihren Mann zu sich.

Deicke stirbt 1797, seine Frau 1801. Damit lastet nun alles auf den Schultern ihrer Tochter Wilhelmine. Doch es soll nicht lange dauern, bis Friedrich Adolph Weineck in ihr Leben tritt. Der 26-Jährige Mühlenverwalter aus Bollberg bei Halle lernt Wilhelmine auf einer Geschäftsreise kennen und lieben. Der Rest fügt sich wie von selbst: Der kinderlose Mühlenbesitzer Johann Strötzel ist froh, wieder einen Fachmann an der Hand zu haben. Und so feiern Wilhelmine und Friedrich am 7. November 1802 Hochzeit und legen den Grundstein für ein Familienunternehmen, wie es im Buche steht — die Mühle Weineck.

Friedrich Adolph Weineck muss ein fortschrittlicher Mann gewesen sein. So jedenfalls schildert es sein Nachfahre Werner Weineck in seiner 1952 veröffentlichten Fest-Chronik zum 150-jährigen Bestehen des Fa­milienbetriebes. Er schafft Frondienstpflicht und Mühlen­zwang für die Oldislebener ab - mehr als 30 Jahre, bevor dies in Deutschland per Gewerbe­ordnung geschieht. Nur die Qualität des Mehles soll nun die Kunden bei der Stange hal­ten. Und damit hat man an­scheinend keine Prob­leme. Schon 1823, so berichtet Wer­ner Weineck, wird Mehl aus Oldisleben bis in den Harz und Branntweinschrot nach Nord­hausen geliefert. Selbst Bauern aus der Weimarer Gegend las­sen in Oldisleben mahlen. Nach Friedrich Adolph Wein­ecks Tod im Jahre 1940 über­nimmt sein Sohn Carl die Müh­le und spezialisiert die Mahl­verfahren. So steigert er die Qualität der Produkte weiter. Wie schon sein Vater geht der ausgebildete Müller und Ma­schinenbauer mit dem Fort­schritt. In seiner Weizenmühle gibt es zum Beispiel Trieur und Grießputzmaschine - gerade erst erfundene Neuerun­gen, wie sie in den deutschen Müh­len noch längst nicht zum Stan­dard gehören. 1861 führt Weineck dann jenen Firmen­namen ein, der über 100 Jahre lang Bestand haben sollte: „C. Weineck & Söhne".

Diese beiden Söhne, Carl und Max-Udo, führen nach dem Tod des Vaters ab 1873 die Mühle gemein­sam weiter. Un­ter ihrer Regie wird der alte Mühlenkomplex abgerissen und durch einen Neubau mit sechs Mahlgängen und vier Walzen­stühlen ersetzt. Letztere, so be­richtet Werner Weineck, sorg­ten für eine außerordentliche Verbesserung der Güte und Farbe des Weizenmehls. Und begeistert merkt der Nachfahre an, dass die Weinecks zum An­trieb der Mühle schon 1879 zwei moderne Turbinen mit ei­ner Leistung von 100 PS ein­bauen ließen. Weil man wegen der großen Nachfrage immer häufiger Nachtschichten fah­ren muss und offenes Licht bei all dem Mehlstaub sehr gefährlich ist, erleuchten schon bald Glühlampen den Betrieb. Auch im Ort Oldisleben weiß man schnell die Vorzüge des elektrischen Stroms zu schätzen, den die Mühlenturbinen liefern. Damit auch bei Hochwasser der „Saft" nicht wegbleiben muss, wird eine Dampfmaschine aufgestellt.

Als rührige Unternehmer wissen die Weinecks die Zeichen der Zeit zu verstehen. Neben dem Mühlenbe­trieb etabliert sich allmählich ein kleines Elektrizitätswerk, das sogar den Ortsteil Bahnhof Heldrungen mit Strom versorgt. Und wo man schon mal über genügend Energie verfügt, ergänzt um 1900 auch noch ein Sägewerk den Familienbetrieb.
Es sind goldene Zeiten. Das Weizenmehl aus Oldisleben ist in ganz Deutschland gefragt. Auf der Grundlage alter Geschäftsbriefe weiß Werner Weineck zu berichten, dass das weiße Gold bis nach Leipzig, Berlin, Nürnberg, München und Breslau verladen wird.

Die beiden Weineck-Brüder sterben 1896 und 1901 im Alter von 60 bzw. 68 Jahren. Nun gehört die Mühle Max-Udos Sohn Max. Düstere Wolken ziehen am Horizont auf. Der erste Weltkrieg bringt schwere Zeiten mit sich, und als sei das noch nicht genug, wird der Betrieb am 25. Juli 1921 von einer Katastrophe heimgesucht: Die Mühle brennt bis auf die Grundmauern nieder. Wie der Unstrut- und Wipperbote von damals zu berichten weiß, hatte sich kurz vor 1 Uhr morgens Reinigungsstaub selbst entzündet. Im Nu stand alles in hellen Flammen. Insgesamt 241 Feuerwehrmänner aus Oldisleben, Sachsenburg, Bretleben, Büchel, Kannawurf, Esperstedt, Etzleben, Frankenhausen, Gorsleben, Heldrungen, Hemleben und Oberheldrungen kämpfen wie die Löwen, können aber nicht verhindern, dass ein Großteil des Betriebes in rauchende Trümmer fällt. Immerhin - Wohnhaus, Kontor, Getreidespei­cher, Stall und Sägewerk können die beherzten Männer retten. Dennoch ist diese Nacht für den Betrieb ein Desaster. Riesige Werte sind vernichtet; mit den Gebäuden wurden die Maschinen ein Raub der Flammen. Auch die Hauptmaschine für Licht und Kraft und die Turbinenanlage sind zerstört. Herzstillstand im Betrieb. Und all dies vor dem Hintergrund von Inflation und Wirtschafts­krise - das Ende scheint nahe.

Eine Katastrophe auch für die Belegschaft, in Deutschland herrscht Massenarbeitslosigkeit. Und so lässt Max Weinecks Entschluss, die Mühle trotz aller Schwierigkeiten wieder aufzubauen, auch die Beschäftigten neue Hoffnung schöpfen. Sie krempeln die Ärmel hoch und helfen mit beim Aufräu­men und Aufbauen. Max' Sohn Carl Werner Weineck erschließt dem Unternehmen unterdessen neue Kundenkreise. Nun werden auch Großhandel und Bäckermeister beliefert. Vater und Sohn gelingt es, das schwer angeschlagene Unternehmen wieder hoch zu bringen. Doch die Atempause währt nicht lange. Schon wieder werden die Kulissen zusammen geschoben für den nächsten Krieg, der die Welt in Brand setzen soll. Max Weineck erlebt ihn nicht mehr, er stirbt 1937. Sein Sohn Carl Werner wird 1941 eingezogen, seine Frau Traute muss das Unternehmen weiter führen. Und auch Carl Werners Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1945 setzt nur ein kurzes Hoffnungszeichen. Am 13. Septem­ber jenen Jahres fällt die Mühle abermals einem Brand zum Opfer. Nur eine Woche später verunglückt der Besitzer und stirbt, gerade 43-jährig.

Doch es muss weiter gehen, irgendwie. Traute Weineck stellt Georg Schwoche als Betriebsleiter ein. Er baut die Mühle wieder auf. „Jeder Pfennig wird in den Betrieb gesteckt, privat muss jedes Opfer gebracht werden", schildert Werner Weineck die Haltung der Familie. Sie kann beim Wiederaufbau abermals auf die Hilfe der Belegschaft zählen. Und abermals wird der 7. November zu einem Mark­stein in der Geschichte des Betriebes: An eben diesem Datum wird 1946 erstmals nach dem Brand wieder gemahlen. Im Unternehmen muss man sich unterdessen an neue Beplötzlich, Fünfjahrpläne zu erfüllen. Stolz vermerkt Werner Weineck 1952, dass die Produktionszahlen immer weiter steigen, die von 1939 bereits um das Vierfache übertreffen. Dass das Labor erweitert, eine Zugmaschine angeschafft, ein neues Büro und moderne Sozialräume für die nunmehr 38-köpfige Belegschaft gebaut werden. 1952 wird der neue Trakt übergeben - wiederum an einem 7. November. Werner Weineck wertet es in der offiziellen Festschrift jener Tage als Zeichen der engen Verbundenheit zwischen Beschäftigten und Betrieb. Er nennt Namen, die sich schon in zweiter und dritter Genera­tion auf den Gehaltslisten finden: Große, Haase, Weinreich, Herrmann, Müller. Weineck sieht damals - rückblickend auf 150 Jahre Tradition - den „Anfang einer neuen Entwicklung, ermöglicht durch die Aufgaben, welche der Fünfjahrplan uns stellt." Tatsächlich aber gehen die Zeiten des Familienbetrie­bes zu Ende. In den 70-er Jahren übernimmt der VEB Vereinigte Mühlenwerke die Firma, „C. Weineck & Söhne" ist Geschichte. Ende der 80-er Jahre kommt die Mühle schließlich ganz zum Stillstand.

Erst 1995 lässt ein bayerischer Unternehmer die Turbinen wieder anlaufen und liefert das, was nun Konjunktur hat: Umweltstrom aus Wasserkraft.

Quelle: Werner Weineck-„C. Weineck & Söhne - Mühlenwerke Oldisleben", 1952


 

So mancher Müller suchte hier sein Glück

(nach TA vom 09.11.2002)

Einen Blick zurück auf die mehr als 900-jährige Ge­schichte der Mühle zu Ol­disleben warf Werner Wein­eck in seiner 1952 veröffent­lichten Festschrift zum 150- jährigen Jubiläum des Familienbetriebes C. Wein­eck & Söhne.

Demnach ist die Mühle wohl schon um das Jahr 1089 herum von Mönchen zusammen mit dem Oldisle­bener Kloster errichtet wor­den. In einem Vertrag, den der letzte Abt des Klosters, Melchior, 1506 mit der Ge­meinde abschloss, finden ei­ne Mahl- und eine Ölmühle Erwähnung, beide auf dem heutigen Mühlengrundstück gelegen. Die Wirrnisse des Bauernkrieges gehen auch am Kloster Oldisleben nicht spurlos vorbei. 1539 wird es aufgelöst und fällt — ebenso wie der ganze Ort — an die sächsischen Herzöge.

Nun entscheidet der Landesfürst über die Ver­pachtung der Mühle.

Wer­ner Weineck konnte bei sei­nen Nachforschungen als frühesten Pächter Casparus Shütz ausfindig machen, der 1635 starb. Seine Witwe hei­ratete im Jahr darauf den Müllergesellen Hans Vetter aus Sömmerda, doch der Neuanfang steht unter kei­nem guten Stern: Just in die­sem Jahr wird Oldisleben nicht nur von den schwer­sten Plünderungen während des 30-jährigen Krieges heimgesucht, sondern auch von der Pest, der 388 Men­schen zum Opfer fallen — darunter die gesamte Mül­lerfamilie.

Der  neue Pächter, 1639 erwähnt, heißt Nicol Leon­hard.

Auch ihm war mit der Müllerei in Oldisleben wohl wenig Glück beschieden, denn schon 1642 steht -wieder ein neuer Name zu Buche: Toffel Fuchs. Jener setzt sich nur zwei Jahre später zur Ruhe, wird von dem Heldrunger Urban Ulich abgelöst. Als der 1675 stirbt, pachtet Meister Hans Gesell die Mühle.

Im Jahre 1680 rollt dann eine zweite schreckliche Pestwelle über Oldisleben.

Diesmal sterben 500 Menschen - und wieder befindet sich die gesamte Müllersfamilie unter den Opfern. Ge-sells Nachfolger, Hans Bauer, wird seinerseits 1695 von Hans Görg Elenroth abgelöst, dessen Tochter den Müllergesellen Andreas Ziegenhorn aus Günserode ehelicht. 1727 gibt es gleich zwei Bewerber um die zum Kauf angebotene Mühle: Pachtmüller Caspar Dreucken und Paul Pampel. Letzterer bietet 550 Taler mehr und kriegt damit vom Herzog den Zuschlag. Als Kaufpreis stehen 4800 meißnische Gülden zu Buche, außerdem muss der neue Müller jährlich 300 Gülden Erbzins zahlen. Alles in allem eine Nummer zu groß für Pampel. Sein Sohn Gottfried lässt 1747 die Oldislebener Mühle versteigern -mit Verlust. Von Johann Gottlieb Runckewitz gibt's 4300 Gülden für das Objekt.

Der neue Eigentümer hat allerhand zu tun, um die vernachlässigte Mühle wieder auf Vordermann zu bringen. Eine Aufgabe, die noch seinen Sohn Johann Jacob auf Trab hält. Nach dem Tode von Runckewitz Junior im Jahre 1786 verkaufen dessen Töchter die Mühle an Dr. Johann Wilhelm Strötzel, dessen Nichte durch die Heirat mit Friedrich Adolph Weineck endlich Kontinuität in die wechselvollen Besitzverhältnisse der Oldislebener Mühle bringt:

In den kommenden mehr als 150 Jahren soll das Objekt in den Händen der Familie Weineck bleiben und zu einem Erfolgsunternehmen wachsen.

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